Mittwoch, 21. Juli 2010

Wie ein halber Doppelkeks

Nach der Trennung von meinem Freund fühle ich mich wie ein halber Doppelkeks. Sie wissen schon, diese Kekse, die von einer Nougatcreme zusammengehalten werden und die nur halb so gut schmecken, wenn man sie auseinanderbaut und einzeln isst. Manche Menschen können es ja nicht lassen. Die nehmen diesen Keks, der nicht zufällig, sondern aus optischen und sensorischen Erwägungen zwei Objekte zu einem vereint, und trennen die Kekshälften.


Das machen sie ganz langsam, sehr konzentriert und extrem vorsichtig. Bei manchen lupft während dieser Prozedur sogar für einen Moment die Zungenspitze aus dem Mundwinkel, als würden sie diffizilen Basteleien im Kindergarten nachgehen.
Na, jedenfalls geben sich diese Kekstrenner alle Mühe, damit sie dann möglichst nicht mit mehr als zwei Teilen dastehen, sondern mit genau einem Keks in jeder Hand. Wenn die Trennung geglückt ist, betrachten sie die Kekshälften wie ein Neugeborenes und versuchen abzuschätzen, auf welcher der Hälften mehr Nougatcreme haftet. Die mit weniger Creme drauf knuspern sie dann zuerst weg, um sich das Beste bis zum Schluss aufzuheben.

Was ich mich frage: Bin ich die Hälfte mit mehr Schoko drauf oder ist das mein Freund? Bin ich für jemanden das Beste zum Schluss? Oder bin ich ein kläglicher Rest, ein Überbleibsel?



Manchmal lässt sich so ein Doppelkeks ganz schwer trennen. In solchen Fällen erinnert die Schokomasse an Beton. In anderen Fällen bleibt das Nougat wie eine Schoko-Bulette komplett an einer Kekshälfte hängen, oder die Masse ist weich und zäh und zieht klebrige Fäden. So oder so, weder für diese mit Schokolade verleimten Kekse noch für unglücklich Verliebte ist es leicht, von der anderen Hälfte loszukommen, ohne zu zerbrechen oder einen Knacks zu bekommen.


Hin und wieder glaube ich, es war ein Kekstrenner am Werk, bei mir und meinem Freund. Er behauptet, wir waren es selbst, die wir uns langsam, aber sicher voneinander entfernt haben.


Irgendwie muss auch ein Verschleiß stattgefunden haben, wie beim Knorpelabrieb im Knie. Jedes Mal, wenn wir es uns als ansehnliches Doppel haben gut gehen lassen, wenn wir im Sommer auf der Wiese lagen und uns im Winter unter der Bettdecke gegenseitig wärmten, schmolz ein wenig von dieser herrlichen Schokomasse, die uns zusammenhielt. Zunehmend verloren wir an Bindung, und es knirschte immer häufiger, wenn wir eng beieinander waren.


Zuweilen denke ich, dass da sehr wohl noch etwas ist zwischen uns, also einige dieser zähen Schokofäden, die sich beim Auseinanderziehen bilden. Denn mein Freund und ich waren immer sehr innig, aber hart wie Beton war das, was uns verband, nie. Es war eher eine luftig, lockere Mischung, die den Kitt zwischen uns bildete. Davon haftet nun ein Teil an ihm, ein paar Bröckchen an mir und der Rest ist wohl einfach verschwunden, verbraucht, verschlissen, oder gar weggeschmolzen, in leidenschaftlichen Momenten.


Wenn Sie es genau wissen wollen, irgendwie tröstet es mich, dass mein Freund nun auch nicht mehr bei jeder eine Chance hat. Zusammentun kann er sich doch eigentlich nur noch mit denen, die in vorangegangenen Beziehungen nicht so viel lassen mussten von ihrem süßen Reiz, die, um im Bild zu bleiben, noch mit einer fast unversehrten Schoko-Bulette aufwarten können. Denn sonst würde es gleich zu Beginn, ohne luftige, schaumige, süße Masse als Kitt und Puffer zwischen ihnen, mächtig knirschen.


Das ist ein Trost, aber nur ein kleiner. Mein Schicksal ist ja dasselbe.

Zum Abschied, mein Liebster, lass mich Dir nur einmal noch sagen: Auf welchen Tea-for-two-parties Du Dich jetzt auch rumtreiben magst und auf welchen Kekstellern dieser Welt Du Dich künftig räkeln wirst, denke immer daran, dass wir mal Hälften waren, die ein formidables Ganzes abgaben.